„Highlight war wohl der erste Streiktag ihres Lebens“

Eine Mischung aus guter Gewerkschaftsarbeit, Organizing und Kampagnenarbeit führt zu einer wichtigen Tarifbindung in Dortmund

Am 1. März 2024 ist ein Anwendungs- und Überleitungstarifvertrag bei der ServiceDO gGmbH in Kraft getreten. Die ServiceDO ist seit der Ausgliederung im Jahr 2005 eine 100%-ige Tochter des städtischen Klinikum Dortmund gGmbHs. Die fast 600 Beschäftigten dort, laut Sabrina Kiwit, die zuständige Sekretärin im ver.di-Fachbereich C, machen „alles, was im Krankenhaus nicht sichtbar ist,“ also Catering, Reinigung, Bettenaufbereitung, Transport, Logistik und Sterilisation.

Sabrina hat mit ihrem Kollegen Julian Ehret als Organizerin im Bezirk Dortmund begonnen – eine der bisher wenigen bezirklichen Organizing-Bereiche bei ver.di bundesweit – und arbeitet seit zwei Jahren als Fachbereichssekretärin im Fachbereiche C NRW. Wir haben Sabrina interviewt, wie die Aktiven der ServiceDO es gewuppt haben, eine Tarifbindung herzustellen.

Werkstatt: Eine Tarifbindung war seit langem Thema beim ServiceDO, nicht wahr? Wie habt ihr dort den Start gefunden?

Sabrina: Ver.di ist seit acht Jahren dran, die Tarifbindung beim ServiceDO herzustellen. Mehrere Hürden standen im Weg, wie der politische Wille in der Stadt Dortmund überhaupt und die komba-Mehrheit im Betrieb und im Betriebsrat. Wir haben nur mit einer Handvoll Aktiven begonnen. Zuerst ginge es vor allem um viele Diskussionen und Schulungen mit ihnen; es gab einen unheimlich großen Bedarf an tarifpolitischer Bildung. Entscheidend war in den letzten Jahren eine dauerhafte Begleitung der Beschäftigten; wir haben einfach jede Gelegenheit genutzt, die Ungerechtigkeiten im Haus zu thematisieren. Durch das Engagement haben wir auch den Unterschied zur komba deutlich gemacht, zum Beispiel, als wir diejenige waren, die die Corona-Prämie gepusht haben.

„…Zuerst ginge es vor allem um viele Diskussionen und Schulungen mit ihnen; es gab einen unheimlich großen Bedarf an tarifpolitischer Bildung…“

Werkstatt: Das klingt super, allerdings reichen allein eine stärkere Präsenz von ver.di im Betrieb und gute Gewerkschaftsarbeit nicht, um eine Tarifbindung herzustellen. Wie seid ihr die denn angegangen?

Sabrina: So was geht nicht von heute auf morgen, klar. Neben den wichtigen ServiceDO-Aktiven hat die Einbindung des Betriebs- und Aufsichtsrats der Mutter, also des städtischen Klinikums, eine wichtige Rolle gespielt. Wir sind auf die lokale Presse und auf die Fraktionen der SPD, der Linken und der Grünen im Stadtrat zugegangen, um allen klarzumachen, dass ohne die Beschäftigten der ServiceDO der Betriebsablauf des Krankenhauses nicht funktionieren würde und eine Bezahlung an der Armutsgrenze nicht hinnehmbar ist. Maßgeblich musste der Stadtrat – als Finanzierer des Klinikums – dahinterstehen und die Anliegen der Beschäftigten unterstützen.

Werkstatt: Ihr habt eure Aktiven- und Mitgliederbasis Schritt-für-Schritt aufgebaut. Kannst du uns auch ein Einblick in die Arbeit geben?

Sabrina: Begonnen haben wir mit 5 Aktiven, mit denen wir uns regelmäßig getroffen haben, um unsere Strategie miteinander zu diskutieren und anzupassen. Die Corona-Prämie konnte mit einer Petition durchgesetzt werden, die geholfen hat, die Basis systematisch zu erweitern. Als die Vorbereitung der Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes begann und die Tarifauseinandersetzung des Tarifvertrags für die ServiceDO parallel lief, haben wir uns wöchentlich zu Aktiven- und Vernetzungstreffen getroffen. Der Austausch zwischen den Beschäftigten der Mutter und der Tochter war dabei ein entscheidender Faktor: Die ServiceDO-Kolleg*innen haben gemerkt, dass sie verstanden und unterstützt werden. Mit Hilfe einer Betriebslandkarte und Teamkarten konnten wir gemeinsam immer wieder die Struktur analysieren. Jeder kleine Schritt hat dazu beigetragen, dass jetzt ca. 200 Kolleg*innen organisiert sind und ihren Tarifvertrag durchsetzen konnten.

Werkstatt: Also, es geht bei dem Erfolg nicht um irgendwelche Tarifbindung. Wie geht’s weiter?

Sabrina: Jetzt fängt die Arbeit richtig an. Anstatt eines 6-seitigen Tarifvertrags haben die Aktiven mit dem TVöD ein richtig dickes Buch! Auch die Geschäftsführung ist neu in der Welt des TVÖDs Jetzt geht es darum, das Knowhow über den TVöD in der Belegschaft zu verankern. Aktiventreffen werden fortgesetzt. Der nächste große Schritt ist die erste Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes für die Kolleg*innen der ServiceDO – mit allem, was dazu gehört!

„…Jetzt fängt die Arbeit richtig an…Aktiventreffen werden fortgesetzt.“

Werkstatt: Du bist nicht so lange bei ver.di. Der Kampf beim ServiceDO war politisch ein wichtiger Erfolg in Dortmund. Wie hast du das erlebt?

Sabrina: Seit drei Jahren bin ich bei ver.di, seit zwei Jahren im Fachbereich C. Die Vorarbeit von Marc Kappler und Thorsten Hautmann war sehr wichtig für den Erfolg, auch meine Erfahrung als Organizerin und meine Einarbeitung durch Julian Ehret.

Das war krass, alles war mit dabei. Alles drohte zu scheitern, mit vielen Tränen und Frustration. Die Kernaktiven und die Tarifkommission haben sich aber nie unterkriegen lassen: Highlight war dann wohl der erste Streiktag ihres Lebens und das Gefühl mit Hunderten Kolleg*innen auf der Straße zu sein und sich für die eigenen Arbeitsbedingungen stark zu machen. Am liebsten hätte ich es verfilmt. Es gibt Bereiche, in denen die Beschäftigten um die 300€ mehr im Monat bekommen. Das war und ist einfach der Wahnsinn.

„…Es gibt Bereiche, in denen die Beschäftigten um die 300€ mehr im Monat bekommen. Das war und ist einfach der Wahnsinn…“

Werkstatt: Das sehen wir auch so! Bevor wir das Gespräch beenden, gibt es noch was, was du über den Erfolg loswerden möchtest?

Sabrina: Was manchmal vielleicht vernachlässigt wird, ist, dass nicht alle im Betrieb Deutsch als Muttersprachler*innen beherrschen. Eine entscheidende Entwicklung bei mir war, konsequent in verschiedenen Sprachen zu veröffentlichen, ob als Flyer oder als digitale Nachrichten. KI-generierte Tools helfen da enorm. Ich habe zumindest drauf geachtet, dass die Aktive selbst, die die Sprache beherrschten, z. B., Videos aufnahmen. Wir müssen und können viel viel mehr davon machen. Es ist eine Wertschätzung gegenüber viele Beschäftigten. Kein Schwein versteht unsere ver.di-Begriffe einfach so. Kommunikation ist alles.

Werkstatt: Du sagst es! Danke für die Zeit und Glückwunsch an die Aktiven, an die Mitglieder der ServiceDO und auch an dich!