There is power in a union!

Was bedeutet Macht und wie setzen wir sie ein?

Für diesen Blogbeitrag geht ein besonderer Dank an die IG Metall, die mich solidarisch zu ihrem Seminar „Organizing für Fortgeschrittene – Machtanalysen als Basis von Erschließungsarbeit“ eingeladen hat. Mich hat auch im Nachgang noch besonders die Frage der Macht und ihre Bedeutung für uns als Gewerkschaften bewegt, weil Macht eine zentrale Rolle in der Gestaltung unserer gewerkschaftlichen Arbeit spielt. Macht beeinflusst, wer Entscheidungen trifft – in unserem Fall Entscheidungen, die bedeutsam für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Betrieben sind.

Während des Seminars hat ein Kollege die These aufgestellt, dass wir in der Zeit des Pluralismus leben würden, wo es in der Regel nicht ein Machtzentrum gebe, sondern Macht auf verschiedene Institutionen aufgeteilt sei. Es herrsche viel Konsens und es gebe wenig Konfrontation. Ich kann seine Haltung nachvollziehen und unterstütze sie, wenngleich ich auch behaupten könnte, dass sich die Macht nicht verteilt, sondern bei den Reichen unserer Gesellschaft bündelt.

Wie aber können wir Lebens- und Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern, wenn wir nicht in Konfrontation gehen und unsere Stärke nutzen? Sind wir als Gewerkschaften denn überhaupt noch mächtig genug? Seitdem ich 2010 ver.di-Mitglied wurde, höre ich immer wieder, dass wir mehr Stärke aufbauen müssen. Ich frage mich: wo setzen wir am besten an?

Hier hat mir der Machtressourcenansatz von Stefan Schmalz und Klaus Dörre geholfen zu verstehen, wo wir uns aktuell befinden. Im Machtressourcenansatz ist die Rede von vier Ebenen der Lohnabhängigenmacht:

Wenn ich nach meinem Verständnis und Wissen versuche uns als Gewerkschaft in diesen vier Ebenen wiederzufinden und einzuordnen, dann habe ich folgende Beobachtungen gemacht: im Bereich der strukturellen Macht stehen wir vor Herausforderungen, weil wir Tarifbindungen verlieren (z.B. im Handel), Subunternehmen bei Arbeitgebenden sehr beliebt sind (z.B. in der Logistik) und Leiharbeit immer salonfähiger wird. Dass wir in den vergangenen Jahren den Fokus auf den Ausbau unserer institutionellen Macht legten führte dazu, dass wir eine Rolle spielen und z.B. ehrenamtliche Richter*innenmandate bekleiden. Beim Thema „Industriestrompreis“ beweisen die Industriegewerkschaften, dass wir gesellschaftliche Macht besitzen, schließlich haben sie den Diskurs dazu vorangetrieben und ihre Position in der Politik verankern können. Gleichzeitig sehe ich auch, dass es Themen gibt, die das Gegenteil zeigen: Seit Jahren weisen wir als ver.di auf die Missstände in der Pflege hin, doch es braucht erst einen Fernsehbeitrag von Joko & Klaas, die das Thema in der breiten Gesellschaft platzieren. 2022 hat die Bewegung rund um den Tarifvertrag Entlastung in der Pflege einen Unterschied gemacht und uns demonstriert, dass wir mächtig sein können. Das führt mich auch zu meinem Fazit des Seminars und der Diskussion um das Thema „Macht“.

Manche, die Gewerkschaften erneuern wollen, wünschen sich, das über mehr institutionelle oder gesellschaftliche Macht alleine hinzubekommen. Aus der Sicht von Organizer*innen ist der Machtressourcenansatz von Klaus Dörre auf dem richtigen Weg. Für uns ist der Aufbau von Organisationsmacht der Schlüsselfaktor, um auch auf den anderen Machtebenen stark zu sein. Platt gesagt: dort liegt unser Hebel. Wenn es uns gelingt, dass mehr Menschen erkennen, dass sie sich für ihre Arbeitsbedingungen in der Gewerkschaft organisieren müssen und sie bereit sind, dafür aktiv zu werden, sich einzubringen und auf die Straße zu gehen, dann werden wir automatisch mehr Tarifverträge verhandeln, politische Diskurse anstoßen und jegliche Machtressourcen entwickeln.

Wie Billy Bragg 1986 schon sang:

„There is power in a factory, power in the land.
Power in the hand of the worker.
But it all amounts to nothing,
If together we don’t stand.
There is power in a Union!“

Übersetzung:

„Es gibt Macht in einer Fabrik, Macht im Land. Macht in der Hand des*der Arbeiter*in. Aber das wird alles zu nichts führen, wenn wir nicht zusammenstehen. Es gibt Macht in einer Gewerkschaft!“

Und genau das ist es, was wir als Gewerkschaften verinnerlichen müssen. Gemeinsam sind wir stark, denn nur, wenn wir unsere Machtressourcen richtig nutzen, können wir die Rechte und Interessen der Beschäftigten erfolgreich vertreten.


Falls ihr jetzt neugierig geworden seid und noch tiefer in die Materie eintauchen möchtet, habe ich hier ein paar Quellen für euch, die euch weiterführende Informationen liefern:

Weitere Quellen zum Thema „Macht“:

  • Stefan Schmalz, Klaus Dörre: Der Machtressourcenansatz
  • Jon Liss/David Staples: „Die Neuen im historischen Block, Worker Center und kommunaler Sozialismus“
  • Katy Fox-Hoddes: No Magic Bullet